Die WWDC 2016 Keynote[1] ist seit einem Tag vergangen und überall im Netz poppen "Whine-Posts" auf, die alle mehr oder weniger den gleichen Tenor haben: Apple hat seit Steve Jobs keine Innovativen Produkte mehr entwickelt.
Ja, es sind die gleichen Posts, wie schon letztes Jahr. Das Jahr davor und jenes davor.

Der Aufbau ist eigentlich auch mehr oder weniger identisch. Es werden gute Services oder Produkte anderer Firmen (meist Google, Amazon, Tesla oder Microsoft) genannt und mit dem verglichen, was Apple als Gegenstück zu bieten hat (oder nicht).

Eigentlich sollte recht schnell auffallen, dass es bei diesen Vergleichen irgendwie nicht um Innovation geht. Oder doch?

Ist ein Software Feature Innovation?

Ja, ist es. Apple hat gestern eine ganze Fülle von Features präsentiert, die es vorher nicht gab. Es gibt sicher für einige Features eine ganze Reihe ähnlicher Funktionen (seit unterschiedlich langen Zeiträumen) anderer Software-Schmieden. Natürlich! Alle "großen" releasen jedes Jahr hunderte innovative Features.

Apple zeigte in der Keynote nur die Spitze des Eisbergs. Ausgewählte Neuerungen, die dem Mainstream nützlich sein werden. Denn das ist die Audience der Keynote.

Es gibt eine ganze Menge weiterer innovativer Features durch alle möglichen Plattformen und Produkte, die zum Teil in Platform State of the Union[1:1] gezeigt wurden. Wer also nicht nur oberflächlich mitreden möchte, sollte sich zumindest auch diese Aufzeichnung anschauen.

Fairytale gone ... stale?

Zurück zu den Whine-Posts.
Viele der Posts erinnern an ein Kind, dass an Märchen mit Happy-End glaubt. Apple ist der Zauberer mit einer gigantischen Menge Cash auf der hohen Kante und soll gefälligst endlich mal wieder irgendetwas magisches, innovatives auf den Markt bringen, dass noch niemand hat und an das noch nie jemand in irgendeiner Form gedacht hat, sonst sind sie nicht mehr Innovativ.

Sicher. Das würde Apple sicherlich gerne wieder tun. Das ist aber nicht so einfach. Es gibt kein Silverbullet, dass einfach so vom Himmel fällt.

Was hätten diese magischen Dinge eigentlich sein können?
Hier eine kurze, unvollständige Liste:

  • Electric Car (vs. Tesla)
  • VR Headset (vs. Oculus, Sony)
  • Echo Equivalent (vs. Amazon)
  • irgendwelche Home-Control Devices

Zusammengefasst alles Themenfelder, die wirklich "ganz weit" vorne sind. Ohh, nebenbei gemerkt auch alles Dinge, die es schon gibt. Was wäre dann wohl geschrieben worden....?

Forschung ohne Ergebnisse?

Mit 1000%-iger Sicherheit forscht und entwickelt Apple in all diesen Bereichen.

Sie haben zum Einen noch nichts, was so weit fertig ist, dass man es präsentieren könnte, zum Anderen ist die WWDC nicht das Apple Event im Herbst. Dort werden neue Produkte vorgestellt. Der Focus der WWDC liegt auf Software.

Im Gegensatz zu vielen anderen Firmen zeigt Apple eigentlich nur Services und Produkte, die einen fast fertigen Zustand haben. Nach dem Motto

"Under-promise and over-deliver"

Das ist psychologisch wesentlich sinnvoller, als es andersherum zu tun (Microsoft hat das jahrelang so gehandhabt und nicht zuletzt dadurch an Brand-Value eingebüßt).

Iteration is... your Friend!

Bewertet man die in der Keynote vorgestellten neuen Funktionen aller Plattformen, wird doch keiner zu dem Schluss kommen, dass die Software dadurch schlechter wird. Es sind mehr oder weniger nützliche Funktionen, die allesamt Joy of Use und Ease of Use verbessern.

Besonders gut ist auch, dass viele der Kits geöffnet wurden, bzw. neue hinzukamen. Damit wird der gefühlte "Apple Lock-In" immer weniger werden. An dieser Stelle gibt's eigentlich nichts, was man Innovatives tun könnte, aber dennoch wird jeder Apple-User davon enorm profitieren.

Ja. Vieles davon - wie Eingangs erwähnt - gibt es in ähnlichen Formen bereits. Es wäre wohl unbestritten schlecht, Bestehendes nicht weiter zu entwickeln. Oder nur so / dann weiter zu entwicklen, wenn es ähnliches noch nicht gibt. Ich bin übrigens gegen Software-Patente; Allerdings auch gegen dreiste 1:1 Kopien ganzer (Software)-Produkte[1:2].

... aber die Anderen haben Produkt X und Service Y

Natürlich haben "andere" auch richtig gute Produkte und Services. Warum auch nicht?

Es macht wenig Sinn die Features von beispielsweise Apple Maps gegen die von Google Maps aufzurechnen und dann zu heulen, dass Apple's Dient schlechter ist. Es gibt immer irgendwo bessere Produkte / Athleten / Software / Hardware.
Der Ratschlag ist, nutzt die Hard- und Software, die eure Anforderungen am Besten erfüllt. Glücklicherweise gibt es anscheinend noch genug Synergie-Effekte, dass gerade Google-Software auch noch auf iOS verfügbar ist (auch wenn sie das UI und teilweise die UX mit ihrem Material Design ziemlich verhunzen).

Wenn das Apple Äquivalent irgendwann "gut genug" geworden ist, kann man ja wieder mal reinschauen und es ggfs. nutzen. So läuft das nunmal in der Entwicklung.
Vielleicht braucht man es auch gar nicht mehr nutzen, da die 3rd-Party Lösung so tief im OS integriert ist, dass sie seamless funktioniert (Strategy: Extensions).

Fall forward

Für alle, die in der WWDC-Keynote wirklich neue Hardware erwartet haben: wartet bis in den Herbst.
Ich bin selbst gespannt, ob Apple sich von Intel abkoppeln kann. Denn diese Abhängigkeit ist einer der Hauptgründe für die langen Update-Cycles[1:3] der Laptop und Desktop Computer.

Noch ein Wort zu "Lifestyle Produkten"

Wenn ich Kommentare wie diesen hier[1:4] lese, kann ich eigentlich nur den Kopf schütteln und mich fragen, ob derjenige das Erst meint..?

Er spiegelt genau diese oberflächliche "ich will auch was tolles sagen, obwohl ich gar keine Ahnung von der Materien habe" Einstellung wieder.

Verdammt viele Entwickler (ja, Google größtenteils auch!) arbeiten mit Apple Hard- und Software. Warum wohl?
Genau. Weil Apple Produkte einfach nur Lifestyle-Produkte sind... *sigh*


  1. http://www.zeit.de/digital/internet/2016-06/wwdc-apple-entwicklerkonferenz-geruechte-erwartungen?cid=7057468#cid-7057468 ↩︎ ↩︎ ↩︎ ↩︎ ↩︎